Zur Fotografie
Meine Fotografie unterscheidet sich (in der Regel) von den üblichen Genres wie Landschaft, Portrait, Architektur, LostPlaces, Tierfotografie, Mode, Sport, usw. und hat mit ihnen grob gesprochen nur die Gemeinsamkeit, Ausschnitte aus der bildhaften Realität zu dokumentieren.
Meine Arbeit entspricht eher einer Variante der Reprofotografie und dokumentiert die stillen „Zeitzeugen“ und „Zeitzeugnisse“. Man könnte auch in Anlehnung an Marcel Duchamps sagen, es handelt sich um „Readymades“. Sozusagen Fundstücke, die zur Kunst erklärt werden, weil es z.B. ästhetische Verwandtschaft zur gegenständlichen und abstrakten Malerei gibt.
Duchamps erklärte Alltagsgegenstände – in Wirklichkeit ja Industriedesign – zur Kunst und machte sich von der Definition frei, Kunst benötige das Unikat, das Original.
Damit drückte er auch seine Hochachtung vor der Gestaltung dieser Alltagsgegenstände aus, ohne jedoch bei der Auswahl auf Provokationen zu verzichten (Urinal, Kleiderbügel, Flaschentrockner usw.). Die Designer dieser Gegenstände werden meist nicht genannt – oder die Namen der Urheber sind nicht relevant – schließlich haben sie mit ihrer Arbeit für die Industrie auch alle Rechte verkauft.
In meiner Fotografie ist der oder die Urheber der "Werke" ebenfalls nicht von Bedeutung. Meist handelt es sich um Objekte, die kollektiv und durch Wind und Wetter entstanden sind. Manchmal auch durch kuriose Ergebnisse der Arbeitsteilung bei der Restauration von Straßenmarkierungen, wie beim „Mann auf der Straße“ oder um unbewusst kollektive Prozesse, wie bei den von mir so genannten „CarPaintings“, die man vor allem in Parkhäusern findet, bei denen man davon ausgehen kann, dass jeder Beitrag zum Bild von einem gewissen Groll des „Malers“ begleitet sein dürfte.
Bei allen Abbildungen handelt es sich um „Kunst im öffentlichen Raum“, allerdings meist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der realen Nutzer dieses Raumes.
Interessant an den etwas anders definierten „Zeitzeugnissen“ sind für mich verschiedene Aspekte: Die beabsichtigte oder gesuchte Verwandtschaft der Motive zur abstrakten Malerei mit den verschiedenen Maltechniken großer und kleiner Meister: Was z.B. in der Ölmalerei ein jahrelanges Studium erfordert (Bildaufbau, Dehnungen [also Farbverläufe], Transparenzen, "Lichtmalerei", Farbkomposition, Farbschichtungen usw.) vermag die Natur durch Witterungseinflüsse auf die entdeckten Objekte im Laufe der Zeit in ähnlicher Weise zu bewerkstelligen. Konstruktion und Dekonstruktion, Entstehen und Vergehen durchleben bei genauer Betrachtung ähnliche Stadien.
Das Interessante an diesen Motiven: man findet sie nicht durch Suchen, sondern muss sich dem Zufall (etwas anders definiert als bei Duchamps provoziertem Zufall) ausliefern und sich auf die "unbewusste Seite der Neugier" beim Flanieren verlassen.
Man könnte es auch als „absichtslose Aufmerksamkeit“ bezeichnen ...
So stammen viele Fotografien aus Frankreich (Paris und Bretagne), wie z.B. das an Jackson Pollock erinnernde realiter wandgroße Graffiti oder das tachistisch anmutende Bild Nummer 9 ohne Titel. (Einer der Begründer des Tachismus – la tache, der Fleck - ist Wolfgang Schulze um 1940 in Paris, der sich WOLS nannte. ) Grundlage beider Bilder sind übrigens Graffito, im ersten Fall durch x-faches Übermalen entstanden, im zweiten Fall durch zahlloses Überfahren mit Skateboards in Farbelemente zerlegt.
Ich möchte aber betonen, dass der konkrete Herstellungsprozess für das fertige Bild ebenso irrelevant ist wie bei der Malerei – letztlich zählen nur kompositorische und ästhetische Kriterien.
Was man in den Bildern sieht, bleibt der freien Fantasie überlassen. Die Motivation, ein Bild mit der Kamera festzuhalten, setzt jedoch eine gewisse Interpretation voraus. Manchmal ist es ähnlich wie bei Wolkenbildern ..., z.B. das monochrome Bild mit den Häusern am Fluss oder die Collage/Decollage als Frauenportrait.
Je aufgeräumter ein Land, desto weniger "Kunst im öffentlichen Raum" ist zu finden ...